Veranstaltung: | LDK Oldenburg 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 5. Sonstige Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 14.04.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Für eine sichere Rente und ein gute Leben im Alter
Beschlusstext
Alle Menschen sollen im Alter ein gutes und selbstbestimmtes Leben führen
können. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit und der Würde. Auch in Zeiten des
Wandels müssen sich alle langfristig darauf verlassen können, dass die
gesetzliche Rentenversicherung als Einkommensversicherung einen möglichst großen
Teil des Lebensstandards sichert, alle vor Altersarmut schützt und diejenigen,
die aus gesundheitlichen Gründen frühzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden
mussten, ausreichend absichert. Angesichts der immer weiter alternden
Gesellschaft machen sich junge Menschen Sorgen oder verlieren sogar Vertrauen in
die Handlungsfähigkeit unserer Institutionen und den Generationenvertrag. Hier
muss Politik überzeugende Antworten liefern. Nur damit können wir das Vertrauen
in eine sichere Altersvorsorge aller Menschen gewährleisten.
Die gesetzliche Rentenversicherung ist die mit Abstand stärkste Säule im so
genannten Drei-Säulen-Modell der Alterssicherung. Rund neun von zehn Euro gehen
bei den Gesamtausgaben der Alterssicherung auf ihr Konto. Ihre Legitimität als
Pflichtversicherung wird nur dann gewahrt, wenn langjährig Versicherte in der
Regel eine Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus erwarten können. Als
Einkommensversicherung muss sie darüber hinaus gewährleisten, dass diejenigen,
die über lange Jahre eingezahlt haben, eine Rente erhalten, die das während des
Erwerbslebens erreichte Einkommen möglichst weitgehend sichert. Oberste
Priorität ist deshalb, das gesetzliche Rentenniveau dauerhaft zu stabilisieren,
damit die gesetzliche Rentenversicherung den größtmöglichen Anteil zur Sicherung
des Lebensstandards beiträgt, und um Altersarmut zu verhindern.
Im Vergleich zu kapitalgedeckten Formen der Altersvorsorge, besonders der
Riesterrente, zeigt sich die gesetzliche Rentenversicherung aufgrund ihrer
Verlässlichkeit, ihrer Renditeaussichten, ihres breiten Leistungsspektrums und
ihrer solidarischen Risikoverteilung in weiten Teilen als überlegen. Leistungen
der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente sind weitgehend an die
gesellschaftliche Wertschöpfung und die Lohnentwicklung gekoppelt. Diese
entwickelt sich deutlich stetiger und damit verlässlicher als Kapitalmärkte, die
den Preisschwankungen von Wertpapieren und den Stürmen von Finanzkrisen kaum
geschützt ausgesetzt sind. Die Versicherten genießen im Umlageverfahren eine
größere Sicherheit und können ihr Einkommen im Alter bereits frühzeitig
abschätzen.
Angesichts ihrer Stärken ist die gesetzliche Rentenversicherung nicht nur für
diejenigen attraktiv, die bereits Rentenbeiträge zahlen und Rentenleistungen
erhalten. Ihr umfangreiches Schutzniveau kann und sollte auch den Menschen
zugutekommen, die heute nur unzureichend abgesichert sind. Deshalb ist die
Gesetzliche Rentenversicherung für weitere Gruppen zu öffnen und zur
Bürgerversicherung weiterzuentwickeln.
Insbesondere die betriebliche Altersversorgung stellt eine Ergänzung innerhalb
des Alterssicherungssystems dar. In diesem Sinne sollte die betriebliche
Altersversorgung über eine Verpflichtung der Arbeitgeber, ihren Beschäftigten
eine Betriebsrente anzubieten und mitzufinanzieren, verbessert werden.
In den kommenden 20 Jahren verdoppeln sich die Kosten für die Rentenversicherung
auf 800 Mrd. Euro. Laut des Wissenschaftlichen Beirats des
Bundeswirtschaftsministeriums würde damit die Hälfte des Bundeshaushalts
benötigt, um die Renten zu stabilisieren. Das bedeutet, dass gegebenenfalls die
Beiträge für die Rentenversicherungen steigen werden. Für viele jüngere
Menschen, die gerade in das Arbeitsleben starten, sind jedoch starke
Beitragserhöhungen kaum zu stemmen. Das macht es für zukünftige Generationen
noch schwerer, eigene Rücklagen für die Zukunft aufzubauen, wodurch das Risiko
für Altersarmut noch stärker steigen würde als bisher. Darum ist es politische
Aufgabe, diese Härten abzufedern und eine Lösung zu finden, die einerseits keine
unentwegte Rentenbeitragserhöhung bedeutet, andererseits aber nicht Tür und Tor
für Renteneintrittsaltererhöhungen öffnet. Um die großen Herausforderungen der
Zukunft zu lösen, müssen wir einen gemeinsamen Weg finden, den demografischen
Wandel zu meistern, die Lasten zwischen den Generationen und Berufsgruppen fair
zu verteilen und gleichzeitig eine auskömmliche Rente für alle zu sichern. Das
ist Grüne DNA! Dafür braucht es jedoch eine gemeinsames Bekenntnis und eine
ehrliche Kommunikation. Auch das ist Grüne DNA! Erst dadurch gewinnen wir das
Vertrauen in eine sichere Rente besonders bei der jüngeren Bevölkerung zurück.
Darüber hinaus setzen wir uns als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die Einrichtung
eines einfachen, kostengünstigen, sicheren und öffentlich verwalteten
Bürgerfonds ein. Dieser könnte besonders kleine und mittlere Unternehmen dabei
unterstützen, eine zusätzliche und transparente Anlagemöglichkeit für ihre
Belegschaften auszubauen.
Der rentenpolitische Hauptfokus muss allerdings auf der Stärkung der
gesetzlichen Rentenversicherung liegen. Hierzu gilt es,
1. eine Bürgerversicherung mit dem Ziel einzuführen, dass alle Bürgerinnen und
Bürger in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden und mittelfristig
Beiträge auf alle Einkommensarten gezahlt werden. In einem ersten Schritt sind
nicht anderweitig abgesicherte Selbständige, Abgeordnete, Minijobber*innen und
Bürgergeld-Beziehende aufzunehmen. Bei den nicht anderweitig abgesicherten
Selbständigen sind dabei bereits bestehende private Altersvorsorgeformen sowie
Altersgrenzen zu berücksichtigen und flexible Beitragszahlungen sowie
Karenzzeiten zu ermöglichen.
2. das gesetzliche Rentenniveau dauerhaft mindestens auf dem heutigen Stand zu
stabilisieren und eine nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen
Rentenversicherung über einen Maßnahmenmix sicherzustellen, indem
- die Erwerbsbeteiligung von Frauen ausgeweitet, die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf verbessert und der Gender Pay Gap geschlossen wird,
- allen Arbeitnehmenden ein gesünderes und längeres Arbeiten ermöglicht wird,
unter anderem über die Förderung von alterns- und altersgerechten
Arbeitsbedingungen, mehr Gesundheitsprävention sowie die Schaffung von
individuellen Übergangslösungen in den Ruhestand, etwa über eine Teilrente ab 60
Jahren,
- die Beschäftigungssituation von prekäre Beschäftigten verbessert wird - durch
Equal Pay in der Leiharbeit ab dem ersten Tag sowie einem Flexibilitätsbonus,
die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung, die Anhebung des Gesetzlichen
Mindestlohns auf 60 Prozent des Medianlohns sowie Maßnahmen zur Stärkung der
Tarifbindung,
- Zugewanderten einen unkomplizierten und nachhaltigen Zugang zum Arbeitsmarkt
erhalten.
- Vielverdienende über höhere Beiträge auch mehr beisteuern. Deshalb wollen wir
die Beitragsbemessungsgrenze erhöhen
3. eine arbeitgeberfinanzierte Mindestbeitragsbemessungsgrundlage einzuführen,
mit der vollzeitbeschäftigte Geringverdienende bei langjähriger Beschäftigung im
Alter eine auskömmliche Rente erhalten.
4. die Grundrente schrittweise zu einer Garantierente weiterzuentwickeln, die
den Menschen, die mindestens dreißig Jahre in der gesetzlichen
Rentenversicherung versichert waren, eine Rente oberhalb der Grundsicherung
garantiert.
5. die Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner im Rentenbestand besser zu
unterstützen, indem alle Personen, die heute eine Erwerbsminderungsrente beziehe
und von den Verlängerungen der Zurechnungszeiten in den vergangenen Jahren nicht
oder nicht vollständig profitiert haben, über einen Zuschlag besser abgesichert
werden.
Die Stabilisierung des Rentenniveaus ist eine zentrale Grüne Beschlusslage und
dringend notwendig. Ohne diesen Schritt würde das Niveau ab dem Ende der 20er
Jahre schnell absinken und von heute 48,2 Prozent bereits 2035 auf 45,3 Prozent
und ab 2040 auf unter 45 Prozent fallen. Läge das Rentenniveau heute schon bei
nur noch 45 Prozent hätte eine Person, die 40 Jahre lang durchgehend genau 75
Prozent des Durchschnittseinkommens verdient hätte (das entspricht aktuell rund
3.200 Euro und da liegen sehr viele drunter) heute eine gesetzliche Altersrente
in Höhe von 1.053 Euro. Damit wäre sie ohne weitere Einkommen in einigen Städten
wie München, Stuttgart oder Frankfurt am Main fast auf ergänzende Leistungen
angewiesen.
Ein Absinken des Rentenniveaus wäre besonders für Frauen und für Menschen in
Ostdeutschland schwer zu bewältigen. In den neuen Bundesländern sind
Betriebsrenten und die private Altersvorsorge deutlich weniger verbreitet als im
Westen. Dementsprechend sind Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung
hier von besonders großer Bedeutung.
Die langfristige Stabilisierung des gesetzlichen Rentenniveaus bei 48 Prozent
führt laut Bundesarbeitsministerium dazu, dass der Beitragssatz (ohne
Zuführungen aus dem Generationenkapital von heute 18,6% statt von 19,7% im Jahre
2028 auf 20%, im Jahre 2030 statt von 20,2% auf 20,6% und bis 2045 statt von
21,3% auf 22,7% , also mit Verlängerung der Haltelinie beim Rentenniveau um bis
zu 1,4 Punkte höher steigen wird als nach geltendem Recht. Dies entspricht für
Durchschnittsverdienende nach heutiger Kaufkraft einer Brutto-Mehrbelastung von
rund 25 Euro pro Monat. Im Gegenzug wird das Rentenniveau stabilisiert.
Als Ergänzung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung
soll eine Stiftung des öffentlichen Rechts errichtet werden, die vom Bund
Eigenkapital und Darlehen erhält, um bis 2036 einen Kapitalstock von 200
Milliarden Euro aufzubauen. Dieser soll danach weiter wachsen.
Ab 2036 sollen dann Auszahlungen allein aus den Kapitalerträgen von
durchschnittlich 10 Milliarden Euro pro Jahr erfolgen. Zum Vergleich: Die
Gesamtausgaben der GRV betrugen im Jahr 2022 rund 360 Milliarden Euro. Laut den
Berechnungen des Finanzministeriums ist in den 30er Jahren mit einer
entsprechend geringen Dämpfung des Beitragssatzes um 0,3 bis 0,5
Beitragssatzpunkte zu rechnen. Die Deutsche Rentenversicherung geht von 0,3
Beitragssatzpunkten aus. Anders als bisher würde damit der demographische
Finanzierungsbedarf der gesetzlichen Rentenversicherung durch
Kapitalmarktrenditen gemindert.
Vor diesem Hintergrund fordert die LDK die Grüne Bundestagsfraktion auf, dafür
zu sorgen, dass
- die Verwendung von Beitragsmitteln für den Aufbau des Kapitalstocks gesetzlich
ausgeschlossen wird, da anderenfalls mit Rentenkürzungen zu rechnen wäre;
- eine parlamentarische Kontrolle der Stiftung gewährleistet ist und auch der
Erlass der Anlagerichtlinie nicht am Parlament vorbei erfolgt. Die Wahl der
Anlagekriterien ist eine legislative Entscheidung.
- sichergestellt wird, dass das Generationenkapital ambitionierte ESG-Kriterien
erfüllt,
- und auf die Zuführung von Eigenmitteln in Form von Bundesbeteiligungen
verzichtet wird, da deren Vermögenserträge dann nicht mehr dem Haushalt
zugutekommen würden
- die Weiterentwicklung von Konzepten für eine zuverlässige Rente
voranzubringen, die belastbar und glaubhaft Sicherheit garantiert für die
jüngere Generation